Rechnen wir nur alles schön?
Immer wieder werde ich in meiner Berufspraxis mit dem Problem konfrontiert, dass sich von Energieberatern errechnete Einsparungen nach der Sanierung nicht einstellen. Warum ist das so? In einem zweiteiligen Blog-Beitrag möchte ich einen Problem/Lösungsansatz darstellen.
Energiegutachten zur Berechnung der energetischen Sanierung basieren auf dem theoretischen Energiebedarf bzw. -verbrauch des Gebäudes. Dazu werden Energiemengen rechnerisch nach den Vorgaben der EnEV 2009 (ab Mai 2014 EnEV 2014) bzw. unterschiedlichen DIN Vorschriften (z.B. DIN 4108-6, 4701-10 und 1946-6) ermittelt.
Die Vorgaben und Vorschriften der DIN setzen ein für ganz Deutschland einheitliches Klima voraus. Als Klima-Referenz-Ort für jedes Gebäude gilt Würzburg. (Ab Mai 2014 gilt dann Potsdam.)
Der spezifische Standort der Gebäude z.B. hier in Berlin wird durch die klimatische Verallgemeinerung der DIN nicht berücksichtigt. Auch das Nutzerverhalten der Mieter innerhalb des Gebäudes wird nicht differenziert betrachtet. In Zeiten steigender Energiepreise ist es nicht selten, dass Mieter die Heizung bewusst herunter drehen, um Kosten einzusparen. Temperaturen von 14° C im Innenbereich der Wohnungen sind dadurch nicht selten. Wie eine Studie aus England (Der Gebäudeenergieberater S.12-15. Ausgabe 02/2014: „Energieeffizienz bei Gebäuden und der Rebound-Effekt.“) belegt, sind von der Untertemperierung vor allem einkommensschwache Haushalte betroffen. Diese wohnen zudem meist in energieineffizienten Gebäuden. Das verschärft die Notwendigkeit für die Bewohner zusätzlich, Energie einsparen zu müssen.
Statt also den standort- und einkommensabhängigen Energieverbrauch mit einzubeziehen, geht die DIN bzw. EnEV von einer vollständigen Beheizung des Gebäudes auf 19 °C (keine unbeheizten oder schwächer beheizten Räume oder Gebäudebereiche) und einer für den Mietswohnungsbau meist auch überdurchschnittlichen Personenbelegung aus. Leerwohnungen im Haus oder die unbeheizten Treppenhäuser werden auf diese Art nicht als ‚Sonderzone‘ berücksichtigt. Dadurch werden alle äußeren (Wetter-) und inneren (Nutzer-) Einflüsse auf das Gebäude rechnerisch ausgeblendet, um so die Vergleichbarkeit mit anderen Gebäuden zu gewährleisten. Diese Verallgemeinerung der Energiebedarfsberechnung ist nachvollziehbar, da nur so ein Vergleich unter den Gebäuden und eine faire Vergabe von Fördermittel zur energetischen Gebäudeerneuerung anhand von einheitlichen Energieeffizienzstandards (z.B. KfW 100) möglich sind.
Dies birgt jedoch Probleme, worauf ich in diesem Beitrag hinweisen möchte.
Denn die Verallgemeinerung führt zu einer Ergebnisverzerrung der tatsächlich benötigten Gebäude-Energie. Dies betrifft den unsanierten Zustand, als auch den sanierten Zustand. Bei Gebäuden vor der Sanierung liegen die gemessenen Energieverbräuche der letzten Jahre aus meiner Erfahrung durch die Berücksichtigung der Wetter- und Nutzereinflüsse vor Ort um bis zu 30% unterhalb der durch die Normen erzeugten Verallgemeinerungen.
Da jedoch der Energieverbrauch des IST Zustandes (also unsanierter Zustand) als Absprungpunkt für zukünftige Energieeinsparungen (nach Sanierung) angesetzt wird, hat dies einen direkten Einfluss auf den Kosten/Nutzen Vergleich von energetischen Maßnahmen, bzw. der Wirtschaftlichkeit der von Energieberatern empfohlenen Maßnahmen. Durch die Unterstellung, dass das Gebäude zum Zeitpunkt der Energetischen Sanierung 30 % mehr Energie verbraucht als tatsächlcih der Fall ist, wird die Energieeinsparung meist zu hoch angesetzt.
Trotzdem bleibt die Berechnung nach Norm sinnvoll, da sie unabhängig vom Nutzerverhalten ist. Denn Menschen die sich mit einer Innentemperierung der Räume von 14° C (siehe oben) zufrieden geben, können diese Energiebescheidenheit nicht an mögliche Nachfolger weitergeben. Diese wollen u.U. eine Normgerechte Temperierung von 20° C haben. Sogar vielleicht darüber hinaus. Wie stark sich dieser Temperaturanstiegt im Energieverbrauch auswirkt zeigt eine einfache Gleichung: Pro 1° C Anstieg der Innentemperatur steigt der Energieverbrauch um 10%!
Um einen realistischen Abgleich zwischen der Norm-Berechnung und dem tatsächlichen Energieverbrauch bzw. der Einpsarung für den Kunden zu ermöglichen, sollten die berechneten Einsparungen nach Norm die Perspektive einer möglichen, 30 % Abschwächung der Einsparungen beinhalten.
Darüberhinaus sollte ein Controlling der tatsächlich erzielten Energieeinsparungen erfolgen. Deshalb empfehle ich meinen Kunden nach 2-3 Jahren nach Fertigstellung der Sanierung einen Energieausweis nach Energie-Verbrauch auszustellen, um zu sehen wie hoch der Einfluss der spezifischen Gebäudenutzung bzw. Standortes auf den vorher von mir berechneten Energiebedarf nach Norm ist. Auf diese Weise werden die tägliche Nutzungsdauer und Intensität der Heizung und des Warmwassers, das Lüftungsverhalten der Bewohner und die Raumtemperierung am Standort integriert.
Im zweiten Teil meines Beitrages werde ich auf die Nutzungseffekte eingehen, die sich nach energetischer Erneuerung von Gebäudes einstellen. Auch diese haben einen großen Einfluss auf die berechneten Energieeinsparungen.
Ihr
Benjamin Holtz
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