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Europäisches Parlament ruft Klimanotstand aus

Nun hat also neben England und Irland auch die EU den Klimanotstand ausgerufen. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen wenn man meint, dass nur der Klimawandel das Leben auf dieser Erde akut bedroht. Denn der Verlust fruchtbaren Landes mit seinem Wald und seiner großen Artenvielfalt istbeher noch gravierender. Zudem ist es fraglich zu glauben, man könne das Problem nur durch technische Innovationen lösen. Dagegen spricht das immense Bevölkerungswachstum und unser steigender Lebensstandard. Beides fressen technische Innovationen immer wieder auf. Am Ende ist ein kultureller Wandel erforderlich, der unseren Konsum- und Wachstumsglauben ersetzt durch ein "Weniger ist mehr" innerhalb der natürlichen Grenzen unseres Planeten. Nur so haben wir eine Chance, das Leben auf der Erde nachhaltig zu schützen.

Das Europäische Parlament hat am 28.11.2019 den Klimanotstand ausgerufen. Momentan ist es nur als Weckruf für Gesellschaften innerhalb und außerhalb der EU zu verstehen. Was fehlt sind konkrete Gesetze, die den Klimawandel mit der nötigen Konsequenz bekämpfen. Klar ist aber spätestens jetzt: Es kann so nicht weitergehen.

Das gilt besonders für Deutschland! Denn wir leben nicht nachhaltig. Der Ressourcen- und Energieverbrauch in unserem Land ist immer noch so hoch, dass wir 3 Erden bräuchten, um unserern Lebensstandard auch in allen anderen Teilen der Welt führen können. Wir leben in Saus & Braus auf Kosten anderer. Dieser auf übermässigen Konsum basierende Lebensstil ist ein wesentlicher Grund dafür, warum wir vor dem ökologischen Kollaps stehen. Dabei verfolgen wir eine Strategie der Ausbeutung, mit der wir die Bodenschätze in armen Teilen der Erde ausbeuten und nach Herzenslust verzehren.

Doch während dieser Vorgang in Zeiten der Kolonialisierung das eigene zuhause noch sichtbar schonte, zerstören wir heute auch in Europa unsere Lebensgrundlage durch das Verschwinden fruchtbaren Ackerlandes, Süßwasservorräte, Wald- und Fischbestände und vieler anderer Tier- und Pflanzenarten. Wir sprechen heute davon, dass das größte Artensterben seit den Dinosaueriern bevorsteht. 1.000.000 Tiere und Pflanzen sind akut vom Aussterben bedroht. Dies wird für uns heute alle weithin sichtbar.

Demonstranten wie denen von Fridays for Future, Extinction Rebellion, Ende im Gelände sind der Ausdruck einer junger Generation, die sich gegen die ungebremste Zerstörung vor allem Ihrer Lebensgrundlage wehrt. Langfristig wird das Verfehlen international vereinbarter Klimazielen zwangsläufig dazu führen, dass diejenigen Länder von internationalen Volkstribunalen (wie z.B. in Den Haag) bestraft werden, die durch mangelhaften Klimaschutz ihre Pflicht zur Unversehrtheit von Menschen auf diesem Planeten systemematisch missachten.

Viele Wissenschaftler bestätigen mittlerweile, dass unser unbedingter Glaube an das Wirtschaftswachstum dafür verantwortlich ist, dass der Ausstoß von CO2 in die Luft bzw. Meere immer weiter steigt. Dieser Glaube fördert das Explodieren der Weltbevölkerung (denn man braucht ja neue Märkte), genauso wie die Produktion unzähliger Fahrzeuge und Flugzeuge. Kaum zu glauben, dass angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Situation einer überall bedrohten Natur das gesellschaftliche Leben geprägt ist vom Glauben an Konsum und Bewegungsexzesse z.B. über Viel-Fliegerei und SUVs. Dabei wird eine Strategie verfolgt wird, immer neue Straßen und Flugzeug-Landebahnen zu bauen. Angesichts der Extremwetterlagen und der Zerstörung natürlichen Lebensraumes, ist es schon eine völlig irre Hoffnung, dass alles bleiben soll wie gehabt: Der arme Teil der Welt trägt den Reichtung durch Ausbeutung der westlichen Welt! Durch erheblich heißere, trockene Sommer, schneelose Winter und heftige Überschwemmungen merken aber auch wir, hierzlande, dass die Krise hausgemacht ist.

Statt mit einem großen Schritt vor dem Abgrund unseres ausschweifenden Lebenswandels zurückzuweichen, ignorieren wir die natürlichen Grenzen unseres Planeten. Statt das Leben auf ihm zu sichern, stoßen wir Lebewesen an Land, Luft und Meer in den Abgrund. Dabei haben mittlerweile selbst die Menschen und Organisationen Zweifel an unserem Wirtschaftskurs, die maßgeblich für das Paradigma des ungebremsten Wirtschaftswachstum verantwortlich sind. Das World Economic Forum titelte Anfang des Jahres: „The world is most clearly sleepwalking into catastrophy.“

Gerade sah ich im Fernsehen die verheerenden Buschbrände in Australien, Inmitten der Feuerbrunst waren Koalabären zu sehen, die durch die extreme Dürre und Nahrungsknappheit im Land völlig entkräftet und halb verbrannt waren. Wie paralysiert von der Apokalypse ihres kleinen Lebensraumes liefen sie von der einen, brennenden Seite der Autobahn auf die andere Fahrbahnseite um sich in Sicherheit zu bringen. Neben dem nahezu vollständigen Verlust des Great Barrier Reefs, drohen die Australier mit den Bären nun ihr zweites, kulturelles Wahrzeichen zu verlieren. Aber auch hier ist das Ausmaß menschlicher Ignoranz fast nicht zu glauben: Australien hat gerade im April 2019 eine Regierung gewählt, die den Menschen gemachten Klimawandel als Unsinn betrachtet.

Einen Einblick in diese groteske Situation menschlichen Handelns gab Prof. Dr. Henning Austmann. Ich sah einen Vortrag von ihm auf der Effizienztagung in Hannover Ende November. In seiner makroökonomischen Darlegung der ökologischen Krise gab er einen passenden, historischen Abriss zur Leugnungsstrategie der Menschen. Während in den 70er Jahren die Meinung verbreitet war, „dass es gar keine [Wachstums-] Grenzen gibt,“ gaben die Leute in den 80ern zu, dass es zwar Grenzen des Wachstums gibt, diese aber doch noch ganz weit weg seien. Weiter in ihrer Erkenntnis waren sie in den 1990ern auch nicht. Zwar zweifelte man nicht mehr daran, dass die Grenzen des Wachstums bald erreicht seien, jedoch würde der Markt diese schon irgendwie überwinden. Seit den 2000ern hatten wir dann die  Idee, dass anstatt der dysfunktionalen Märkte technische Innovationen rechtzeitig das CO2 Problem lösen würden. Seitdem warten wir… vergeblich!

Austmann sieht denn auch die Technikgläubigkeit sehr kritisch. Denn es bestehen neben dem Potential technologischer Innovation zwei weitere Faktoren, die die Auswirkung (Impact) auf die Natur bestimmen: Das (1) Bevölkerungswachstum (Population)und das (2) Konsumniveau (Affluence). Beide Faktoren sind heute sehr hoch und müssen umgehend gesenkt werden. Es erfordert in unserem Konsumverhalten eine Bereitschaft, dass weniger besser (und wesentlich befriedigender) ist als ständig immer mehr zu wollen. Diese Bereitschaft auf Verzicht bezeichnet man auch als Suffizienz. Ohne diese verpufft der technische Fortschritt auch durch Energieeffizienz. Dies ist z.B. erkennbar an der Wohnraumentwicklung in Deutschland. Durch den ständigen Anstieg der Wohnfläche pro Kopf (von ca. 20 qm in 1970 auf heute ca. 45 qm) steigt auch der (fossil gedeckte) Heizwärmebedarf immer weiter an [ebda].

Ohne, dass es wissenschaftlich noch in Zweifel stünde, befinden wir uns heute vor einem Scheideweg. Entweder wir finden einen gesellschaftlichen Ansatz, bei dem Gesellschaft und Wirtschaft vom Respekt und der Achtung gegenüber der Ökologie getragen werden, oder die Menschheit schlittert unaufhaltsam in das ökologische Desaster. Austmann sieht diese sich abzeichnende Entscheidung zwischen „design [a sustainable future] vs. desaster“.

Ich hoffe, dass die EU durch ihr Bekenntnis zum Klimanotstand nun endlich - bedingt durch den wissenschaftlichen Erkenntnisstand und den Druck der Straße - auch eine Gesetzgebung verabschiedet, die das Leben auf diesem wunderbaren Planeten bewahrt. Gleichzeitig müssen Meere, Böden, Wälder, Pflanzen und Tiere umfassend gesetzlich geschützt werden.

Ihr

Benjamin Holtz

Quelle zu den Themen von "Exzessiver Ressourcennutzung, Ausbeutung und Kolonialisierung der Erde:

Daron Acemoğlu, James A. Robinson: "Warum Nationen Scheitern", Fischer Taschenbuch (2012)

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Kommentare

Kommentar von sylke holtz |

Ja, wir leben in Saus und Braus - auf Kosten anderer. Der Verfasser sagt mit Recht, dass die Politik versagt hat und weiter laufend versagt: Also, richtig, der Umbruch muss von unten kommen, von uns allen. Wir müssen Wertentscheidungen treffen; so auch Maya Göpel in ihrem Buch "unsere Welt neu denken".
Wenn wir aber nicht stark genug sind für Veränderungen, werden wir durch N o t gezwungen werden. Die Natur wir nicht mehr reichlich schenken.

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